Im September 2019 hat Gerd Scharmberg erzählt, dass er eine rassistische Partei wie die AfD nicht nur scheiße findet. Also sinngemäß hat der Bürgermeister und Kreistagspolitiker mir das so gesagt. Kann man das so schreiben? Nein! Lieber löschen? Scharmberg hat mir erzählt, dass er es drauf habe, obwohl FDP-Mitglied, eine andere Partei zu wählen. Geht das? Lieber vorher fragen? Einen Anwalt! Scharmberg zum Thema AfD: Man sollte im Leben nichts ausschließen – ein Verdachtsfall. Könnte es so gehen? Uiuiuuuiiii! Gibt sicher die nächste Klage. Doch lieber nichts mehr dazu schreiben?
Liebe Leserinnen und Leser dieses kleinen Blogs, so sieht ein Texteinstieg aus, wenn der Autor wegen seiner journalistischen Arbeit an einem Buch drei Mal (zwei Mal direkt und ein Mal indirekt) verklagt wurde. Ziele: Buch schwärzen, Autor mundtot machen. Neueste Etappe: Gericht in Stralsund.
Dort sitze ich gestern erstmals in meinem Leben vor einem Strafrichter. Wenige Augenblicke vor dem Urteilsspruch müssen sich alle vor dem in schwarz gekleideten Thomas Kobsch erheben: der Staatsanwalt* Christian Klatt, mein Anwalt Ullrich Knye und die Zuschauer. Ich schaue durch den Raum. Keine zehn Meter vor mir steht der Mann, der dieses und die anderen beiden Verfahren losgetreten hat: Gerd Scharmberg, seit Ewigkeiten Bürgermeister in Born auf dem Darß, wichtige Person im Kreistag Vorpommern-Rügen, Aufsichtsratsmitglied in der Boddenklinik Ribnitz-Damgarten, Kurverwaltungsmitentscheider, Ex-Regenbogen-AG-Mitarbeiter für besondere Aufgaben, Putin-Versteher, Feuerwehr-, Königreichs- und Verklage-Experte.
Scharmberg trägt in Stralsund ein ähnlich kleinkariertes Hemd wie während unseres Interviews im September 2019. Allerdings hat er eben vor dem Gericht erstaunlicherweise andere Dinge über das gesagt, was er mir damals selbst im Interview für #Heimatsuche erzählt hatte. Scharmberg hat Scharmberg widersprochen. Aber ich bin es, der nun kurz vor der Verurteilung in einem Strafverfahren steht: Hopp oder Top – vorbestraft oder Freispruch – viel mehr Optionen bleiben nun nicht mehr, da der Staatsanwalt* trotz der Beweisaufnahme bei einer Anklage geblieben ist. Jetzt entscheidet der Richter.
Fällt etwas auf? Dieser Text geht gar nicht mehr um die Frage, wie wichtige Kommunalpolitiker in Mecklenburg-Vorpommern es mit der rechtsextremen Partei AfD halten. Dieses Thema verschwindet automatisch hinter den Aktenstapeln, die Gerd Scharmbergs Anwälte und drei deutsche Gerichte mittlerweile verursacht haben. Auch die Lokalzeitung berichtet zwar über das Gerichtsverfahren, stellt aber niemandem eine Frage zum Auslöser des Streits, dem AfD-Thema. Und der Verlag, in dem das Buch erschienen ist, hat es im ersten der drei Verfahren vorgezogen, sich außergerichtlich mit Scharmberg zu einigen und lieber die AfD-Passage im Buch zu schwärzen als vor Gericht ein Urteil zu erstreiten.
Ist es einfacher, nicht über Rassismus in der Heimat zu debattieren?
Hat man sich in Mecklenburg-Vorpommern mit 20 Prozent für eine menschenverachtende Partei abgefunden?
Warum stellt sich ein mächtiger Mensch wie Gerd Scharmberg keiner politischen Diskussion, sondern beauftragt lieber Anwälte?
Diese drei Fragen gehen mir kurz vor dem Urteilsspruch durch den Kopf. (Neben den zusätzlichen Kosten, die bei einer Strafe für mich entstehen.) Und dann korrigiert der Richter den Staatsanwalt,* spricht von einem besonderen Fall und begründet sein Urteil mit Verweis auf die „fundamentalen Stützen“ eines demokratischen Staates – eine unabhängige Justiz und eine freie Presse. Ich werde freigesprochen. In Stralsund geht die Sache gut aus. Doch Erleichterung und Freude verfliegen schnell.
Bevor ich das Gebäude verlasse, möchte ich auch Gerd Scharmberg die Hand geben, ihn fragen, ob wir die juristische Streiterei nun beenden und uns mal wie zwei Menschen unterhalten können. Er lehnt das Angebot ab, droht, dass wir uns nur vor Gericht wiedersehen werden und verlässt mit seinem stellvertretenden Bürgermeister, ehemaliges AfD-Mitglied, das Gebäude.
Tatsächlich stehen bei einem der drei Verfahren, Verhandlung und Urteil noch aus. Vor einem Gericht in Schwerin möchte Scharmberg juristisch erzwingen, dass ich mein Interview mit ihm aus dem September 2019 lösche, und dass ich über die Dinge, die er mir damals als Bürgermeister erzählt hat, nirgends mehr berichte. Folgt dieses Gericht seinem Anwalt, soll ich bei Unterlassung der Unterlassung entweder 250.000 Euro zahlen oder sechs Monate ins Gefängnis gehen.
Falls noch jemand ein gebrauchtes Buchexemplar von #Heimatsuche braucht, meldet Euch also, bevor es zu spät ist. Oder hört Euch mal wieder das Teil hier an:
* Da der Anwalt sich komischerweise während der Verhandlung eher wie ein gebriefter Verteidiger Gerd Scharmbergs verhielt, sei an seiner Bezeichnung als Staatsanwalt ein * vermerkt.
Es ist immer wieder erschütternd, mit welcher Brutalität Scharmberg vorgeht. Hier im Gericht behauptet er, in seiner persönlichen Würde durch ein illegal aufgenommenes Interview verletzt worden zu sein. In einer Klageschrift legt er dann aber den kompletten Mitschnitt einer Veranstaltung in Zingst vor, die ohne Ankündigung und Genehmigung aufgenommen wurde! Ähnlich “stasihaft” ging es auch in Wieck zu. Er – Scharmberg – regt sich auf, wenn andere ein Gericht oder eine Aufsichtsbehörde anrufen, um seiner Willkür Einhalt zu gebieten, er selber aber nutzt jede Gelegenheit, ihm zuwiderlaufende Äußerungen oder Berichte gerichtlich verbieten zu lassen. Sorry, Seine AfD-Äußerungen sind verständlich wenn man weiß, dass diese mit dem Mittel des Rechts, die Rechtsstaatlichkeit aushebeln wollen!
Hallo Steffen.
Du fragst warum er das tut? Weil sein Ego über allem steht. Sein Ego wollte dir damals zeigen was für ein Genie er ist. Als er dann dein Buch las, kam ihm wieder sein Ego in die Quere, nur von der anderen Seite. Nun treibt ihn sein Ego immer weiter, dabei merken weder er noch sein Ego, wie er sich zum Narren macht. Für ihn ergibt das alles einen Sinn.
Letztlich ist er ein Tor.
Liebe Grüße
Ganz anderes Thema: Lebt Vera Putina eigentlich noch? Sie wäre etwa 96. Ein aktuelles Foto -oder ein Foto ihres Grabes- könnte aktuell ganz nützlich sein… Vielleicht würden sie oder die Tochter heute auch mehr reden?